Cities of the world

 
 

Wien - was soll man darüber sagen? Unzählig viele Gebäude nennen, die vom einstigen Grandeur der KuK-Monarchie zeugen? Oder lieber die Hofreitschule erwähnen? M.E. gibt es die genauso mehrfach wie den Opernball. Während ich nie zum Opernball gehen würde, könnte man mich dauernd in der Hofreitschule erleben. Der einzige Grund, warum ich nie dort war, ist die Länge meiner Besuche - immer wenige Tage. Wien war einst Durchgang für mich auf dem Wege nach Istanbul. Später zogen zwei Freunde dorthin, von denen einer später starb und der andere nach Kanada zog.

Die beiden waren Studenten und waren dort zu finden, wo man Studenten findet, in der Studentenkneipe. Deren Kneipe war immer knüppeldick voll - nicht wegen des guten Bieres, sondern wg. Mickey. Sie war eine atemberaubende Schönheit und sehr großzügig mit Verabredungen mit Kunden. Alle, alle wussten, dass Mickey nie zu einer Verabredung erscheinen würde. Dennoch glaubten alle das Gegenteil. Allein die Hoffnung war schön genug für Träume aller Art.

Die Stadt war auch ein Traum für meine Vorfahren, die sie gerne eingenommen hätten. Beim ersten Mal wurde der Sultan, der Befehlshaber, krank und starb, bevor er nach Hause kommen konnte. Beim zweiten Mal ging es gründlich schief, und der Oberbefehlshaber blieb ebenso tot in der Umgebung. Nur sein Kopf wurde dem Herrscher durch einen Reiter überbracht. Ich glaube, eingelegt in Honig.

Angeblich haben die Wiener beim Lager der geschlagenen Truppe Säcke mit komischen Bohnen gefunden, die man aufbrühen konnte. So entstand die Wiener Kaffehauskultur. Verbürgt ist die Entstehung vom Croissant, gebacken von einem Bäcker in der Form des Halbmondes der Fahne der Osmanen. Die Türken wollten angeblich einen Tunnel unter der Stadtmauer graben, was die Wiener Bäcker, die schon wach waren, jedoch mitbekamen und Alarm schlugen. Zur Siegesfeier wurde ein Gebäck erfunden, das die Form des türkischen Halbmondes hatte. Eine andere Version lässt dieselbe Geschichte im heutigen Budapest im Jahr 1686 stattfinden, als die Stadt Buda, heute ein Teil der ungarischen Hauptstadt, durch die kaiserlichen Truppen von den Türken zurückerobert wurde. Wenn die Story nicht wahr ist, ist sie gut erfunden.

Wien war, wie gesagt, die Hauptstadt der KuK-Monarchie und damit die Welthaupstadt z.B. des Walzers. Die historische Altstadt, heute Großteil des 1. Bezirks, war 1848 deckungsgleich mit den Stadt. Der Kaiser, also Franz Joseph Karl von Österreich, ließ die Stadt mehrfach vergrößern. Er hatte ja reichlich Zeit dazu, weil 68 Jahre Kaiser und König von Böhmen und Apostolischer König von Ungarn. Nach ihm blieb Wien nicht mehr lange Hauptstadt eines Reichs, aber immer noch die Österreichs. Zei Jahre noch - und es war aus. Des Kaisers voller Titel umfasst u.a. auch „König von Jerusalem“. Sein Nachfahre, Karl I., soll sich einen Namen mit einer originären Erfindung gemacht haben, dem Grußorden. Jeder, der den Kaiser sah und grüßte, bekam diesen. Der Kaiser war da geiziger, und zwar sowohl mit den Orden als auch wegen der Vergabe. Er hatte ausgerechnet, dass man mit Orden und Titeln die Leute zufrieden stellen kann, ohne denen gleich ein höheres Gehalt zuzuschanzen. So hat Wien die grösste Dichte an Titelträgern im deutschen Sprachraum. Nicht dumm, Seine Majestät der Kaiser, sondern sparsam.

Die Oper von Wien wäre nichts geworden, wenn die Kritiker der Baumeister Recht behalten hätten. Der Architekt Eduard van der Nüll erhängte sich, nachdem man den Prunkbau an der Ringstraße heftig kritisiert hatte, und sein Partner August Sicard von Sicardsburg erlag wenige Wochen danach einem Herzschlag. Die beiden Architekten sind an der Errichtung des Wiener Opernhauses buchstäblich zugrunde gegangen. In diversen Zeitungsberichten wurde das Haus als „Königgrätz der Baukunst“ bezeichnet, was damals, wenige Jahre nach der folgenschwersten militärischen Niederlage der Monarchie, eine besondere Demütigung war. Als noch ärger empfanden die Architekten den Kommentar Kaiser Franz Josephs, der die Hofoper eine „versunkene Kiste“ nannte. Die Kritiker behielten so viel Recht wie viele Kritiker von Bauwerken: Das Haus ist weltberühmt - und das nicht nur wegen der Kunst, die man darin ausübt. Auch nicht wegen der Dirigenten, deren Liste sich äußerst wenig vom Who-is-Who der Musikgeschichte unterscheidet. Schon gar nicht wegen Mörtel, einem greisen Baulöwen, der jedes Jahr mit einem Hollywoodimport im Schlepp den legendären Opernball ins Gerede bringt. Ob Dame oder Schlampe, hauptsächlich bekannt muss die Dame sein. Auch ohne ihn ist das Haus so bekannt, dass es sich leisten kann, die Aufführungen vor der Tür live zu übertragen. So habe ich einen ganzen Opernabend im Stehen verbracht und nichts bereut.


 

Seht die Welt durch meine Augen

Städte lassen sich an ihrem Gang erkennen wie Menschen.

Robert Musil