Cities of the world

 
 

Mein Traum ist Stockholm nicht - aber nur, weil sich eine andere Stadt in meine Träume früher eingeschlichen hat. Des Segler´s Traum ist sie aber doch. Der Hafen, die Inseln in den Schären, die Kanäle im Hinterland - alles was ein Seglerherz sich wünschen mag, findet sich hier. Stockholm hat mehr Brücken als Venedig - so etwa drei Mal mehr.

Die Stadt hat von der Architektur, die ich liebe, Jugendstil, viele, sehr viele schöne Exemplare. Man fühlt sich einfach zu Hause - aber wieso? Wer ist in „Jugendstil“ aufgewachsen? Niemand! Aber schön ist es doch.

Ich wohne, wenn ich die Stadt besuche, auf einem kleinen Schiff, dem roten auf dem Bild. Dort hat sich ein Kapitän ein schönes Zimmer hinter seinem Steuerstand einrichten lassen. Echt gemütlich darin. Ich kann es mir vorstellen, wie er direkt aus dem Schlafzimmer ans Steuerrad gestürmt ist. Das Schiff ist ein Hotel und das Steuerrad dient nur noch als Kleiderbügel.

Vom roten Schiff aus sieht man das Gebäude, in dem die Nobelpreise vergeben werden. Ich war auch mal dabei - leider nicht als Preisträger. Für meine Disziplinen hat der noble Herr Nobel keinen Preis vorgesehen. Recht hat er. Aber träumen darf man doch, wie man aus der Hand des Königs von Schweden … Vielleicht doch nicht. Mir gefallen die Iggy-Preise besser. Dort treten auch echte Nobelpreisträger auf und lassen zum Jux auch Papierflieger aufsteigen. Den Preis kann man sich an den Hut stecken. Echt!

Zu Stockholm habe ich ein intimes Verhältnis entwickelt, weil ich eines Nachts von einer Party zum roten Schiff zu Fuss gehen wollte. Das dauerte so etwa drei Stunden. Ich passierte viele lustige Lokale, die ganz und gar nicht an das frühere Schweden erinnert haben. Damals soll es sogar verboten gewesen sein, laut zu lachen. Ein Märchen? Vielleicht doch nicht. Bei meinem ersten Besuch in Schweden sah es im Stadtpark von Lund beim Mitsummernight aus wie beim Totensonntag. Lange her …

Als ich beim roten Schiff ankam, erlebte ich, dass Schweden ein anderes geworden ist. Zu meiner Jugend hatte ich gelesen, dass man in Schweden aus einem Lokal gewiesen wird, wenn man Alkohol bestellt, ohne gleichzeitig Essen zu ordern. Ich konnte aber ein Gläschen Rotwein bekommen, ohne vor der Tür zu landen. Ein anderes Mal hatte ich gelesen, die Schweden würden morgens Fischmarmelade servieren. Na, ja! Etwas süßlich hat er schon geschmeckt, der Hering. Und der Surströmming erst! Die Gärungsgase des sauren Herings sind nämlich im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend. Sie stinken entsetzlich nach verfaultem Fisch. Der Geruch ist so intensiv, dass er selbst im Freien auf mehr als 50 Meter Entfernung noch als nicht angenehm wahrgenommen wird. Wer aber schon einmal Durian gegessen hat, eine Frucht, deren Einfuhr in Hotels verboten ist, kann sich davon nicht erschüttern lassen. Ohne Alkohol kann man sich so etwas allerdings nicht munden lassen. Am nächsten Morgen beim Frühstück gibt es aber das, was man auch anderswo auf der Welt auf dem Frühstückbuffet findet.

Stockholm liegt am Ausfluss des Mälarsees, dem Riddarfjärden, in die Ostsee. Der Mälarsee erstreckt sich 120 Kilometer nach Westen ins Landesinnere. Slussen, eine Schleuse mitten in der Stadt, trennt das Süßwasser des Sees vom Salzwasser der östlich liegenden Ostsee. Na, ja - ich würde eher Brackwasser sagen. Die Ostsee ist ein Kind der letzten Eiszeit, an deren Ende sie entstanden ist. Vorher, als der Spiegel des Meeres 100 m tiefer gelegen hatte, hatten die Schnapsschmuggler eher Kutschen als Schiffe benutzt.

Etwa 30 Prozent der Stadtfläche ist mit Wasser bedeckt. In Berlin ist es nicht ganz so viel. Die Stadt bezieht ihr Trinkwasser aus dem Mälar, und die hohe Wasserqualität erlaubt es, mitten in der Innenstadt Lachse zu angeln. Dennoch ist das Essen der Lachse verdammt teuer - wie alles in Stockholm. Die Stadt erstreckt sich über 14 Inseln, die durch 53 Brücken verbunden sind. Ein großer Teil der Stadt besteht aus Waldregionen. Daher meine Liebe für diese Stadt!

In nord-südliche Richtung zieht sich eine eiszeitliche Kiesmoräne, die vom Ausfluss durchbrochen worden war. Unser Berlin besitzt auch eine eiszeitliche Moräne, sitzt aber oben drauf.

Nur eines gibt es in Stockholm nicht, wofür Schweden einst berühmt war - sexhungrige Mädchen. Wer die Story erfunden hat, muss eine wahrlich rege Fantasie besessen haben. Bereits die erste Frau, mit der ich einst getanzt hatte, hatte mir gesagt: „Du wirst mich gleich etwas fragen, ich sage vorsorglich NEIN.“ Nach dem Schrecken habe ich weise auf jegliche Kontakte zu weiteren Damen verzichtet. Schreck, lass nach! Lieber Lachse angeln in der Stadt.


 

Seht die Welt durch meine Augen

Städte lassen sich an ihrem Gang erkennen wie Menschen.

Robert Musil