Cities of the world

 
 

Seoul ist eine der Städte, in der ich durch die Angabe meiner Herkunft große Begeisterung auslösen kann. In den 1950er Jahren hat ein General meines Landes dem UNO-Oberbefehlshaber gegenüber Befehl verweigert und so die beschlossene Evakuierung von Südkorea angesichts der überlegenen kommunistischen Kräfte vereitelt. Danach musste er noch die letzte Schlacht der Geschichte schlagen, die man mit Bajonetten gewinnen konnte. Sein Motto: Wenn ich das Land verlasse, dann nur in einem Sarg.

Seoul eine Megacity zu nennen könnte auch als Untertreibung verstanden werden. Denn die Metropolregion Seoul wird von etwa 10 Millionen Menschen bewohnt, die in der eigentlichen City leben, dazu kommen die Millionenstädte Incheon und Sudogwon, macht schlappe 24 Millionen Koreaner, also die Hälfte von Südkorea.

Man kann der Stadt deutlich ansehen, dass sie nicht nur Wohn- sondern auch Kulturzentrum von Korea ist, zudem noch Olympiastadt (1988) und Gastgeber einer Fussball-WM (2002).

Ganz so gebirgig wie Rio sieht Seoul nicht aus, trotzdem gibt es selbst in der Stadtmitte „Berge“. Wie viele alte Großstädte, liegt Seoul an einem Fluss, besser gesagt, die Stadt wird durch einen Fluss zweigeteilt.

Obwohl ich empfehle, man möge  die Welt mit meinen Augen sehen, besteht meine bleibende Erinnerung vornehmlich aus Essen. Und zwar in dieser Reihenfolge: Nudeln, schnell in einem Verschlag mit Arbeitern für etwa 2 $ geschlürft, Grillen mit Grill auf dem Tisch und viel Grünzeug, vegetarisch Essen in tollen Lokalen mit vielen Baumblättern - und Fisch und Meeresgetier aller Arten bei einem Empfang. Die anderen Gäste nahmen meine Hilfe dankend in Anspruch, um die Gastgeber nicht zu kränken, die uns das Feinste hatten auftischen lassen: Eingeweide von Seegurken, Tintenfischtentakel, diverse Muscheln, Schnecken etc. So aß ich etwa für drei Personen lecker Seefrüchte vom Feinsten.

Zweitbeste Erinnerung: Stadtpark mit hundert und mehr Paaren, die sich Hochzeitsfotos machen lassen. Dazu ein Bus voller Gören in quietschgelben Jacken. Wenn man noch die vielen Tempel hinzu zählt, ist die Exotik vollkommen. Die Stadt ist aber keine Exotik - Seoul ist eine der wichtigsten Zentren der Industrie, nicht nur von Südkorea, sondern der Welt.

Das Gebiet um Seoul ist seit mindestens 3.000 Jahren bewohnt. Leider waren nicht alle Bewohner nette Menschen. So wurde Seoul bereits 1592 von Japanern erobert, später noch von den Mandschuren. Am schlimmsten traf die Stadt die Kolonisierung durch die Japaner, die 1910 Korea annektierten.  Die Japaner bauten die Stadt zum Zentrum der Provinz Chōsen aus, vergrößerten das Stadtgebiet stark und sorgten mit groß angelegten Strukturmaßnahmen für ein Aufblühen der Industrie und anderer Wirtschaftszweige. Koreanische Männer und Frauen wurden unterschiedlich vergewaltigt. Die Männer mussten in den Kriegsdienst, die Frauen auch, aber in Kriegsbordellen. Sie wurden „comfort woman“ bzw. Trostfrauen bezeichnet, was jahrelange Vergewaltigung bedeutete. Japan hat sich bis heute nicht dafür entschuldigt.

Die Befreier, USA, waren kaum im Land, kam Seoul in Greifweite des mittlerweile kommunistischen Nordens, der mit dem unter Mao Tse Tung, richtiger Mao Zedong, militant gewordenen Chinesen zusammen in den Süden einfiel. Die erste Eroberung von Seoul fand am 28. Juni 1950 statt. Sie wurden durch die UNO-Truppen nach Häuserkampf vertrieben. 1951 kam der Feind wieder. Auch wenn er nicht mehr da ist, ist er nicht weit weg, der 33. breitengrad ist nur xx km entfernt. Auch die Erinnerung ist da, denn als die Stadt am 14. März wieder befreit werden konnte, war der größte Teil der Bewohner entführt, die Stadt schlimmer zerstört als Berlin im 2. Weltkrieg.

Ob man Seoul eine blühende Stadt nennen soll? Sie weist eine sehr hohe Bevölkerungsdichte auf, die durchschnittlich 18.042 Einwohner pro Quadratkilometer beträgt. Am dichtesten besiedelt ist der Bezirk Yangcheon-gu mit rund 26.400 Einwohnern pro Quadratkilometer.

Mit Menschen aus 90 Ländern als Einwohner, könnte man die Stadt ziemlich international nennen. Unter kosmopolitischen Städten wird sie aber nicht einmal benannt werden, denn nur 1% sind Ausländer (zum Vergleich: Hamburg ca. 15 %, Frankfurt/Main 25 %).

Seoul besitzt viele wunderbar aussehende Parks, darunter den einzigen Nationalpark in einem Stadtgebiet, Bukhansan. Nicht zu Parks zählt der sich am südlichen Stadtrand erhebende 632 Meter hohe Berg Gwanaksan, der der Bevölkerung Seouls als gut erschlossenes und beliebtes Naherholungsgebiet dient. Wegen seiner Schönheit wird der Gwanaksan nach dem als schönster Berg Koreas geltenden Kŭmgangsan oft Sogeumgang (kleiner Kŭmgang-Berg) oder Seogeumgang (Kŭmgang-Berg des Westens) genannt. Zahlreiche Wanderwege führen durch das Bergmassiv mit seinem dichten und alten Baumbestand.

Die Menschen in Seoul habe ich sehr schätzen gelernt. Ihre Höflichkeit ist nicht unbedingt die der Japaner, bei denen ich immer an die Kriege in Asien und Pazifik denken muss. Sie ist weniger asiatisch, aber echter. Ich werde gerne wieder nach Seoul reisen, vor allem wegen der Kinder in den quietschgelben Jacken halber, die ich unbedingt fotografieren muss.



 

Seht die Welt durch meine Augen

Städte lassen sich an ihrem Gang erkennen wie Menschen.

Robert Musil