Cities of the world

 
 

Port Moresby wird sicherlich auch ihre Schokoladenseiten haben. Ich konnte sie leider nicht entdecken, weil man mir angedeutet hat, besser nicht in die Stadt zu gehen. Obwohl ich mich ohne Furcht durch Städte wie Johannesburg, Rio oder Chicago bewegt hatte, fiel mir die Sache hier nicht so leicht. Schuld war einmal meine Furcht vor Papua Neuguinea. Ich kannte nur Geschichten über Schrumpkopfjäger, Kannibalen und Steinzeitmenschen. Zum anderen gestaltete sich meine Ankunft alles andere als feierlich.

Mein Gepäck wurde von einem Kerl inspiziert, der aussah, als hätte er mich zum Fressen gern. Zum Glück war er nur auf meine Zigarillos aus und begnügte sich mir einer Packung. Ich gab ihm zwei, weil die armen Kerle wirklich nichts verdienen. Sein Gesicht war für eine Stunde die letzte freundliche, die ich sehen sollte. Der Fahrer, der mich zum Hotel bringen sollte, der Agent des Hotels, holte mich mit einem robusten Fahrzeug ab. Und guckte genauso finster drein wie das Volk, das um den Flughafen lungerte. Nach einer kurzen Fahrt standen wir vor etwa drei Meter hohen eisernen Gittern, die sich knatternd öffneten, um sich sofort hinter uns zu schließen. Diese Gitter sollten meine nächsten 24 Stunden bestimmen, denn sie setzten sich auch im Gebäude fort. Einzelne Teile des Hotels waren hermetisch gegeneinander abgeschirmt. Nur Gäste mit entsprechenden Schlüsseln konnten diese überwinden. Ein Hauch von Gefängnis lag in der Luft, allerdings mit klimatisierten Zellen. Das Essen wurde auch nicht auf Blechtellern serviert, sondern eher ganz vornehm.

Angesichts der martialisch aussehenden Security Leute beschloss ich, das Hotel bis zum Abflug nicht zu verlassen. So blieben körperliche Schäden aus, allerdings nicht die mentalen, verursacht durch die vielen Fernseher, in denen nur MTV mit den unsäglichen Musikvideos lief. Und das bereits zum Frühstück. Wenn ich mir die anmutigen, dynamischen oder gar wilden Tänze der Einheimischen angucke, schwillt meine Brust vor Stolz ob der zivilisatorischen Dinge, die wir ihnen geschenkt haben. Stolz wie der Besitzer der ersten Frittenranch am Avenue des Champs Élysées.

Das Volk, das man in Papua Neu Guinea kennen lernt, hat mit dem , was man in Port Moresby sieht, nur die Gene gemein. Die Stadt hat viele No-Go-Areas, bei denen man weniger sicher ist als bei den „Kannibalen“. Die aber sind nett und friedlich. Die ich kennen gelernt habe, hatten nur einen erkennbaren Fehler: Sie gingen mit der Harpune auf die Jagd, deswegen waren die Fische bis 10 m nicht so handzahm wie sonst in den Tropen. Über diesen Fehler konnte ich mich nicht aufregen, weil ich als Jugendlicher auch … Schande!

Wer nach Port Moresby fliegt und die Gegend erforschen möchte, wird sich nicht schlecht wundern. Es gibt einfach keine Straßenverbindungen zu anderen Städten, alle Straßen hören in näherer Umgebung der Hauptstadt auf. Man kann natürlich zu Fuß gehen wie viele Touristen, die den Kokoda Trail benutzen. Aber Vorsicht - die Malaria auf PNG ist von der tödlichen Sorte. Und die Kriminalitätsrate liegt derart hoch, dass das Auswärtige Amt folgendes empfiehlt: „Alle Deutschen, die nach Papua-Neuguinea reisen bzw. für begrenzte oder unbestimmte Zeit in Papua-Neuguinea leben, können in eine Krisenvorsorgeliste aufgenommen werden.“ Und „Nachdrücklich wird empfohlen, auf die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und Taxis zu verzichten und stattdessen auf die Transportmittel der Hotels beziehungsweise Reiseveranstalter zurückzugreifen.

Papua kennt 790 Sprachen, Indien vielleicht 2.000. Nur hat Papua etwa 6 Mio Einwohner, Indien etwa 1166 Mio! Deswegen findet die Verständigung auf der Straße wohl weniger häufig über die Sprache statt. Stammesfehden auf den Straßen sind keine Seltenheit.

Port Moresby teilt mit London die berühmteste königliche Hoheit, die Queen Elisabeth II. Sie ist Königin von Papua-Neuguinea: Elizabeth the Second, by the Grace of God, of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and of her other realms and territories Queen, Head of the Commonwealth, Defender of the Faith. Genau so ein realm ist Papua-Neuguinea. Welchen Glauben die Queen hier verteidigt, dürfte den wenigsten klar sein. Die meisten Bewohner zählen zwar zu Christen, die Verwandtschaft des Glaubens zu Animismus, Geisterglaube, Ahnenkult und zum Glauben an Magie dürfte aber auch bei denen größer sein als in Europa, wo meistens der Weihnachtsbaum als sichtbarer Beweis für die heidnischen Kulturreste vorkommt. Zudem gibt es hier wohl sehr unterschiedliche Christen, die mitgliederstärksten Kirchen sind die Römisch-Katholische Kirche Papua-Neuguinea, die Evangelisch-Lutherische Kirche von Papua-Neuguinea, die Gutnius Lutherische Kirche, die Anglican Church of Papua New Guinea, die United Church in Papua New Guinea (eine methodistische Kirche) und die Siebenten-Tags-Adventisten. Ach du liebe Lissy! Ist sie nicht doch der Hohepriester der Anglikanischen Kirche?

Ob sich die Queen wieder mal hier sehen lässt, kann ich mir nicht vorstellen. George Bush hat ja auch nicht alle Teile seines Imperiums besucht, z.B. nicht New Orleans nach dem hurricane. Sie war zwischen 1974 und 1982 drei Mal zu Besuch. Da sie die USA gerade mal vier Besuche abgestattet hat, kann sich Port Moresby in königlicher Hochachtung fühlen.

Papua-Neuguinea hat viele wunderbare Ecken. Port Moresby gehört nicht dazu. Wer das Land bereisen und dennoch sicher fühlen möchte, kann sich auf einer Kreuzfahrt einmieten. Oder in Gebiete fahren, wo normale Menschen leben. Dort ist PNG nicht gefährlicher als in der Nähe vom Frankfurter Hauptbahnhof. Und nirgendwo auf der Welt leben mehr Korallen- und Fischarten. Von 330 endemischen Vogelarten und unzähligen Pflanzenarten ganz zu schweigen. PNG ist das Land der Megadiversity, nicht nur in Sprachen.

Seht die Welt durch meine Augen

Städte lassen sich an ihrem Gang erkennen wie Menschen.

Robert Musil