Cities of the world

 
 

Peking ist unweit einer Traumstadt gelegen - Xanadu … Dies ist das unerreichte Land, nach dem einer der Pioniere des Internet, Ted Nelson, sein Traumprojekt benannt hatte, 1960. Hypertext sollte das Gebilde heißen und die gesamte Weltliteratur in einer Datei zusammen fassen. Viele halten es heute noch für eine Verrücktheit, auch solche die es täglich benutzen. Xanadu (chinesisch: 上都, Shàngdū) war die Sommerresidenz des Mongolenherrschers Kubilay Han. Xanadu gilt als Metapher für Prunk und Wohlstand. Das Wissen über Xanadu geht zurück auf einen angeblichen Besuch durch Marco Polo im Jahr 1275. Der Filmmensch Citizen Kane nennt sein mit Antiquitäten gefülltes Schloss Xanadu, in echt Hearst Castle bei San Francisco. Während in Hearst Castle alles zusammen geklaubt oder geklaut ist, was Stil anbetrifft, zeichnet sich Peking dadurch aus, dass alles echt ist, auch die Ming-Vasen, was alt ist.

Was neu ist? Nun ja, viel Märkisches Viertel als Fassade für Hutongs, in denen die Armen leben, die es im Kommunismus natürlich nicht gibt. Tatsächlich verdanken die Menschen hier dem Kommunismus viel, z.B. dass es keine Hungerepidemien mehr gibt wie viele Jahrhunderte zuvor. Die Armen leben nicht in Zaus und Braus, haben aber was zu Essen. In China war das nicht immer der Fall. Die Natur war zum Teil brutal und überhörte den Kaiser, der sich bei drohender Dürre, bzw. dem Gegenteil davon, in seinem Himmelstempel zurück zog, um dort für sein Volk zu beten. Der Himmelstempel, bzw. der „Himmlische Tempel“ beeindruckt durch die Harmonie der Gebäude und der Mauern mit den chinesischen Glückszahlen. Zudem durch ein Detail, aus dem man ersehen kann, dass die Erbauer trotz des himmlischen Auftrags sehr irdisch gedacht haben: Der Himmel wird durch eine runde Mauer dargestellt, während die Erde durch eine viereckige repräsentiert wird. Das wäre nicht weiter interessant, hätte man nicht die runde Mauer durch die eckige einfassen lassen. Der Kaiser war der Meinung, der Himmel könne nicht größer sein als die Erde.

Am größten Platz der Stadt, soll auch die größte der Erde sein, fiel mir dauernd der Witz mit den Fliegen ein: Sch… muss schmecken, Millionen Fliegen können sich nicht irren. Der Tian´anmen Platz, auf dem 1989 Panzer den himmlischen Frieden wieder hergestellt haben, drängeln sich am Sonntag einige hunderttausend Menschen Richtung Verbotene Stadt. Dort schieben sich nicht viel weniger dichte Ansammlungen von Menschen durch die Anlagen. Die Gebäude selbst dürfen nicht betreten werden. Man hält nur seine Kamera in die Luft und hofft, das richtige Motiv erwischt zu haben, wenn der Arm lahm wird. Da ich in China ein Riese bin, nicht nur in Japan, gelangen mir relativ viele Fotos.

Echt beeindruckend die Olypmpischen Anlagen (Stadion!) und auch die zu diesem Anlass richtig aufgemöbelten Gärten der Botanik. Dort kann man für wenig Geld flanieren oder für etwa 4,40 € sogar das Tropenhaus betreten. Ja, die haben ein Tropenhaus, weil Peking im Sommer sehr warm wird, aber im Winter ungemütlich kalt werden kann. Die Gegenden, wo der bambus 40 m hoch werden kann und der Tiger durch den Wald streift, sind viel weiter südlich bzw. nördlich. Am Ussuri leben die größten Tiger der Welt. In Peking hingegen erinnern nur die Libellen mitten in der Stadt daran, dass hier mal Natur gewesen ist. Ansonsten die reichlich großen Parks, in denen niemand nie alle Verbote gleichzeitig missachten kann. Aus lauter Sparsamkeit steht auf dem gleichen Schild geschrieben: „Modellboot fahren, Schwimmen und Schlittschuh laufen nicht erlaubt.“

Der Verkehr in Peking lässt Istanbul, Neapel oder Paris als himmlische Stätten für gesittetes Fahren erscheinen. Im Sommer sorgt er auch dafür, dass in Peking vorerst nie mehr die Sonne scheinen wird. Im Winter kommen die Heizungen dazu. Der Smog ist derart dicht, dass an wolkenfreien Tagen der Sonnenschein als blasses Lichtlein in der Trübe bemerkbar ist. Der Morgen kommt gefühlsmäßig einige Stunden später, dafür geht der Tag viel früher schlafen. Peking ist  eine Reise wert - wenn man wissen möchte, wie Menschen ihre Umwelt vernichten. 

 

Seht die Welt durch meine Augen

Städte lassen sich an ihrem Gang erkennen wie Menschen.

Robert Musil