Cities of the world

 
 

Manila ist nicht meine Traumstadt, könnte eher die Alptraumstadt werden. Wer hier leben möchte, benötigt Nerven, stark wie eine Drahttrosse und dazu rostfrei. Es fragt sich, wo sie/er denn lebt. Die Stadt selber hat „nur“ 1,7 Mio Einwohner. Die Region Metro Manila wird von etwa 12 Mio Menschen bewohnt, während in Greater Manila so um die 20 Mio leben.  Nicht nur diese Zahlen sorgen dafür, dass es einem recht feucht in den Augen wird, wenn man aus Posemuckel stammt. Im Durchschnitt gibt es etwa 2 m Regen im Jahr (in Berlin 60 cm).  Taifune gehören zu den schwersten Naturkatastrophen in Manila, nicht deren Wind, sondern eher der Regen.

Wenn man unter einer Tropenreise eine Fahrt ins Paradies versteht (so wie ich), weiß bereits bei der Ankunft in Manila, dass dies wohl wo anders sein muss. Die Luft ist zum Schneiden, das Wasser fällt zwar sauber von der Stratosphäre, kommt aber bereits verschmutzt unten an. Was sauberes Wasser ist, versteht man, wenn man den Pasig, den Fluss durch Manila, zum Schwimmen benutzen wollte. Ein Scherz - bereits 1930 wurde beobachtet, dass in der Manilabucht manche Fische rar wurden. So ab 1960 konnte man das Flusswasser nicht einmal mehr zum Waschen benutzen. Dreißig Jahre später war der Fluss ganz „tot“. Stimmt nicht! Er lebt und stinkt vor sich hin. Pasig ist übrigens ein Fluss, der nur durch Manila fließt.

Manila kann nicht leugnen, einst eine spanische Kolonie gewesen zu sein. Aber die Spanier sind recht spät angekommen. Vorher war Manila ein islamisches Sultanat gewesen, weil der Islam bereits in 1380 in der Inselwelt angekommen war. Ab 1565 versuchten die Spanier, die die Philippinen (der Name geht auf Philipp II zurück) als Kolonie kassierten, das Christentum einzuführen. Und der Buddhismus, der vermutlich neben dem Islam im 16. Jahrhundert die vorherrschende Religion auf den Philippinen war, wurde bald nur noch von der chinesischen Minderheit praktiziert. Nach ihrer Niederlage gegen die Spanier im Jahre 1571 konvertierten die Rajahs von Manila, Rajah Sulayman, Rajah Lakandula und Rajah Matanda zum Katholizismus. Dafür durften sie einige Privilegien behalten und wurden ins koloniale Herrschaftssystem integriert. Durch die weitgehende Einbindung der einheimischen Häuptlinge in das koloniale Herrschaftssystem entstand die soziale Schicht der principialia, die als Mittelsmänner und Nutznießer des Kolonialsystems diese über Jahrhunderte festigten. Für den Touri: Man sehe lieber zu, dass man nicht vom System erfasst wird, als dass man versucht, es zu verstehen. Die letzten Kolonialherren in Manila waren die Amerikaner, die eigentlich nie recht abgezogen sind. Zwischendurch traten die Japaner als Besatzungsmacht auf die Bühne und kosteten einige Millionen Philippinos das Leben. Kein Wunder, dass sie so beliebt sind. Man erzählte mir, dass es eine Kartoffelsorte gäbe, die, unsachgemäß gekocht, tödlich wirken könne. Diese hätte man im Krieg an japanische Soldaten verkauft - ohne Kochrezept, freilich.

Manila stellte jahrelang die Bühne für ein schräges Paar, die Familie Marcos, wovon Frau Imelda durch die Größe ihrer Schuhsammlung in die ewige Liste der beliebten Potentaten eingegangen ist. Ihre Schuhe sind derart berühmt, dass sogar die Zeitungen Ende September 2009 berichteten, ein Teil der Sammlung hat während der schweren Überschwemmungen gerettet werden können, als das Marikina-Museum unter die Fluten geraten war. So etwa 200 der ursprünglichen 3000 Paare.

Ebenso verschwenderisch ist man in der Stadt mit der Fläche umgegangen. Die meist ein- bis zweigeschossigen Bungalowsiedlungen der Oberschicht und die dicht gedrängten Elendsviertel verbrauchen viel mehr Platz, als z.B. für Hochhäuser erforderlich wäre. Während die Hütten in den „Squatter Camps“, wilde Siedlungen, von den Zuwanderern ohne rechtliche Erlaubnis der zuständigen Behörde oder des Landbesitzers errichtet wurden, entstanden die Slums in der Kernstadt durch baulichen Verfall und Vernachlässigung der früheren Bewohner. Slums und Gebäude im UNESCO-Welterbe, bidonvilles und Paläste - das ist Manila.


 

Seht die Welt durch meine Augen

Städte lassen sich an ihrem Gang erkennen wie Menschen.

Robert Musil