Killer
Wer könnte der größten Echse der Welt gefährlich werden? Eigentlich niemand, der sie auf übliche Art und Weise angreifen würde. Wenn ein Tier 10 m in der Theorie und über 8 m in der Praxis werden kann und nicht nur tödlich zubeißen - allein der Schlag mit dem Schwanz kann einen Menschen umbringen -, und dazu ein wirklich dickes „Fell“ besitzt, ist es so gut wie nicht angreifbar. Tatsächlich ist mir bis heute kein Tierfilm begegnet, der eine Jagd auf erwachsene Krokodile zeigt - außer von Menschen wie Crocodile Dundee.
Dennoch gibt es ein Tier, das imstande ist, Krokodile, die es seit etwa 150 Mio Jahre gibt, zumindest gebietsweise auszurotten. Das Tier ist eine Kröte, der man aus den Augen ablesen kann, dass es böse sein muss. Als ich es zum ersten Mal sah, sah es wie eine vertrocknete Kuhmistflade aus. Die vermeintliche Flade lag etwa zwei Meter vom Fluss entfernt und lud nicht gerade zum Spielen ein. Als ich das Ding mir näher ansah, merkte ich, dass es sich um ein Tier handelte. Da dachte ich, man sollte es ins Wasser werfen, damit es von Fischen aufgegessen wird. Allerdings befand ich mich in diesem Augenblick in größter Gefahr. Es war nämlich nicht tot und, wie ich später gelernt habe, konnte etwa zwei meter weit Gift spritzen.
Zum Glück habe ich ständige Angst, fremde Objekte zu berühren, weil nicht wenige Kameraden und Freunde in unseren Jugendjahren sehr schmerzhafte Erfahrungen machen mussten. Zwei sind sogar gestorben, einer durch das Gift eines Skorpions, der andere durch das eines Petermännchens. So nahm ich einen Stock und schob das Ding weiter Richtung Fluss. Da machte es langsam die Augen auf! Uff! Aus lauter Angst stieß ich es heftig, so dass es in hohem Bogen im Wasser landete. Unser Gastgeber John Alexander, ein australischer Farmer, erklärte mir, dass dieses Viech in der Lage ist, die giftigsten Schlangen der Welt, wovon neun der zehn giftigsten in Australien leben, umzubringen. Ob die weitere Geschichte stimmt, weiß ich bis heute nicht genau. Die Tiere, die die Kröte fressen, würden selbst giftig werden, so auch ungiftige Schlangen.
Was passiert aber mit den giftigen? Zunächst zu dem Mini-Monster. Die Kröte wurde in Australien eingeführt, damit sie auf den Zuckerrohrfeldern nach dem Rechten sieht. Sie, Bufo marinus mit dem lateinischen Namen, oder Aga Kröte, vermutlich nach Aga = türkischer Großgrundherr benannt. Man hat sie für diesen Zweck zuerst in der Karibik eingesetzt. Von da brachte sie den Namen cane toad nach Queensland. Aber auch da dachte sie nicht daran, Käfer zu fressen. Igitt! Frisst alles Mögliche, nur nicht die Käfer, denen sei ihren Job verdankt.
Kein Tier verabscheuen die Aussies mehr als die hochgiftige Aga-Kröte. Eine ganze Kröten-Kultur hat sich um das hässliche Tier im Land entwickelt. Politiker geben Mord-Ratschläge, Millionen werden für Anti-Aga-Forschung ausgegeben.
Außerhalb Australiens sollen auch schon Menschen an Krötenfleisch oder Aga-Eier-Suppe zugrunde gegangen sein. In Hawaii sterben angeblich Jahr für Jahr um die 50 Hunde am Krötengift.
Discolicht als Krötenvernichter
Letztes Jahr schreckte wie Welt auf, als australische Wissenschaftler ein düsteres Bild von der Vernichtung der Krokodilpopulation in Nordaustralien veröffentlichten. Der Feind: cane toad. Die wenig netten Tiere haben sich rasant vermehrt, weil sie kaum Fressfeinde haben, die noch leben. Die Parasiten, die sie in ihrer Heimat in Südamerika dezimieren, fehlen in Australien völlig. (Wer hätte gedacht, dass man das Fehlen von Parasiten bedauert?) So werden sie von Schlangen, Waranen und Krokodilen verspeist. Die Mahlzeit endet häufig oder gar immer tödlich.
Die Folgen für die Ökologie sind dramatisch. Dem Krötentreck folgt unmittelbar die Todeswelle. Der Biologe Mike Letnic und sein Team aus der Uni Sydney zählen seit Jahren die Süßwasserkrokodile im australischen Northern Territory. Beim Vergleich mit den Verbreitungsgebieten der Aga-Kröten, die ein auf viele Arten tödlich wirkendes Gift aus Drüsen an Kopf und Rücken ausscheiden, zeigte sich, dass überall dort, wo die "Invasionsfront" der Kröten durchgezogen war, eine enorme Todesrate bei den Krokodilen zu verzeichnen war. "Krokodile sind nicht wählerisch, wenn es um eine Mahlzeit geht", sagt Forschungsleiter Mike Letnic." Sie schnappen nach allem, was sich an ihnen vorbei bewegt. Wir denken, dass sich große Mengen von Kröten in den Flüssen versammelt haben, woraus sich das Problem für die Krokodile ergibt." Teilweise waren die Bestände seit dem Jahr 2005 um 77 Prozent zurückgegangen. Die schwindenden Bestände beunruhigen die Forscher, denn wenn ein solcher Räuber wie das Australienkrokodil, das an der Spitze der Nahrungskette steht, verschwindet, könne dies eine ganze Kaskade von Veränderungen im Ökosystem nach sich ziehen.
Wer rettet die Krokodile vor der fiesen Kröte? Die Front ist mächtig und ebenso vielfältig. Die Universität von Queensland hat auf Staatskosten ein millionenschweres Forschungsprogramm aufgelegt, um dem Treiben der Kröten ein Ende zu bereiten. Pheromone, also Botenstoffe, werden erforscht, um den Tieren die Lust am Sex zu verleiden. Nach für Kröten attraktiven Stoffen und Geräuschen suchen die Wissenschaftler, um die arglosen (?) Tiere in Fallen zu locken. Lebende Krötenkiller werden gezüchtet - etwa ein Frosch namens Litoria dahlii, der die Kaulquappen der Kröte verspeisen kann, ohne davon Bauchschmerzen oder Durchfall zu bekommen. Genetiker arbeiten daran, das Krötenerbgut für immer unbrauchbar zu machen.
Die australische Regierung, nicht zu faul, lobte einen Preis von 15.000 australischen Dollar für die beste Krötenfalle aus. Der Gewinner war eine Plattform mit Falltüren darin. Wirklich geholfen hat aber auch diese Sieger-Idee nicht. Es sind einfach zu viele Kröten, und sie sind zu weit verteilt. Jetzt aber haben die Forscher aus Queensland möglicherweise die Achillesferse ihres Feindes gefunden - eine Vorliebe für coole Clubbeleuchtung. "Wir haben festgestellt, dass die guten alten Kröten definitiv Discotiere sind", sagte Graham Sawyer von der Initiative "Frogwatch".
Nachdem Versuche gescheitert waren, die Tiere mit beweglichen roten und grünen Leuchten anzulocken, verlegten sich die Mitglieder des Projekts "Toad Busters" auf UV-Licht. Das Licht, das in Diskotheken als "Schwarzlicht" für bläulich schimmernde Kleidung - und dabei leider auch für deutlich sichtbare Schuppen auf Schultern sorgt -, zieht die Aga-Kröte offenbar magisch an.
Da wir Menschen, wie der Name sagt, „human“ sind, werden die Kröten, die in Freilichtdiscos eindringen, nicht einfach vergast oder irgendwie malträtiert. Nein! Geht es nach den wenigen Verteidigern von Bufo marinus, wird die humane Krötenvernichtung der Zukunft so ablaufen: Eine Kröte hüpft liebestrunken ins blaue Licht, wird verständnisvoll aber flott aufgehoben - und für ihre letzten Minuten ins Gefrierfach gesteckt. Ob sich ein japanischer Koch bereit findet, die Gift-Kröte analog zu dem nicht weniger giftigen Fugu-Fisch aufzubereiten, hat die kluge Regierung von Downunder leider nicht feststellen können. Vielleicht redet man Chinesen ein, der Verzehr der Kröte würde die Manneskraft gewaltig erhöhen. Damit hätten wir den dreifachen ökologischen Salchow: Tiger und Nashorn gerettet, und die Kröte perdu´. Die Sache mit der chinesischen Manneskraft regelt die dortige Regierung mit der Ein-Kind-Politik.
Frei Bahn für die Vermehrung der Krokodile! Wer hätte je gedacht, dass die Lichttechnik der Biologie auf die Sprünge helfen würde?
Yarramalong ist das Land der wilden Pferde